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Prof. Dr. Demosthenes Savramis

Der Priester als Nationalsymbol der Griechen

Theologia, ΝΗ', Αthen 1987, S. 275-293.


2. Der Märtyrer.

Die aktive Teilnahme des Klerus an den Befreiungskämpfen Griechenlands, der mit ihr verbundene Heldenmut der Geistlichen und ihr Beitrag zur Erhaltung des nationalen Bewusstseins der Griechen hätten das überlieferte Bild des griechischen Priesters allein nicht so stark prägen können, wenn nicht als weiterer Faktor das Martyrium der übrigen Aktivität des Klerus eine metaphysische Legitimation gegeben hätte. Zehn Patriarchen, mehrere Bischöfe und Tausende von Priestern gehören zu den neuen Märtyrern (1) der griechisch-orthodoxen Kirche, die durch das Martyrium dazu beitrugen, dass sich Kirche und Nation zu zwei Werten entwickelten, die schwer voneinander zu trennen sind; denn die neuen Märtyrer opferten ihr Leben nicht ausschließlich auf dem Altar des christlichen Glaubens, sondern sie starben zugleich als Vorkämpfer der nationalen Unabhängigkeit und Freiheit. Es wäre unmöglich, die beiden Motive, die den Klerus während der Türkenzeit in den Tod trieben, rein voneinander zu scheiden, denn für die Geistlichen bedeutete die Verleugnung des Glaubens auch eine Verleugnung Griechenlands, während das Sterben für den Glauben als Opfer für den Freiheitskampf und die nationalen Ideale galt. Deshalb gehört der Märtyrerpriester beiden Bereichen an. Er zählt zu den Heiligen und zu den nationalen Helden, was dem Priester einen eigenartigen Platz in der Geschichte Griechenlands sichert.


I

Die Türken gewährten der orthodoxen Kirche viele Privilegien; das schloss jedoch nicht ein, dass sie die Handlungen des Klerus duldeten, die die absolute Herrschaft der Ottomanen in Frage stellten. Im Gegenteil: da die Kirchenfürsten eine besondere Stellung im Rahmen des Verwaltungsapparats des Staates innehatten, und da sie einen großen Einfluss auf das Volk ausübten, wurden sie unmittelbar an erster Stelle für alle Aktionen der Griechen, die dem Interesse der Türken entgegenliefen, verantwortlich gemacht. Die Namen der sieben Patriarchen: Kyrillos Loukaris, Kyrillos Kontaris, Parthenios I., Parthenios II., Parthenios III., Gabriel II., und Raphael II., die innerhalb eines Jahrhunderts (1600-1700) ihr Leben oprfen mussten (2), bieten dafür den besten Beweis.

Die Zahl der Märtyrerpriester vermehrte sich nach jedem misslungenen Aufstand der Griechen. Da die Bischöfe und Priester, wie wir schon sahen, an der Planung und Ausführung der Aufstände aktiv teilnahmen, traf die Rache der Türken immer wieder zunächst den Klerus. Man denke z.B. an die misslungene Revolution von 1575, deren Führung in den Händen der Brüder Makarios Melissinos (Erzbischof von Epidauros) und Theodoros (Bischof) lag. Obwohl die beiden Brüder nach ihrem Misserfolg ins Ausland entkommen konnten, verbrannten die Türken aus Rache die Erzbischöfe von Patras und Thessaloniki bei lebendigem Leibe.

Als der Unabhängigkeitskrieg (1821-1830) (=Agon Anexartesias) ausbrach, war es den Türken kein Geheimnis, dass die Kirche da Hinterstand. Am 8. März 1821, als der Sultan Mahmud II. (1808-1839)von der bevorstehenden Revolution der Griechen hörte, griff er zu Vergeltungsmassnahmen, die die Kirche bzw. das Ökumenische Patriarchat betrafen. Er ließ mehrere Bischöfe verhaften, und vor allem veranlasste er zu Beginn des Monats April das Martyrium des ökumenischen Patriarchen Gregorios V (3), der als einer der größten Märtyrer der Kirche wie auch der Nation gefeiert wird.

Der Hirtensohn Gregorios wurde 175l (4) in Arkadien geboren und hieß Gregorios Angelopoulos. Am 1. Mai 1797 wurde er zum Patriarchen gewählt. Obwohl er es vermied, offen an den Vorbereitungen der Revolution teilzunehmen, unterstützte er heimlich die Initiatoren des Aufstandes, die den Namen des Patriarchen und seinen großen Einfluss für ihre Zwecke verwandten. Als der große Tag des Ausbruches der Revolution immer näher rückte, wussten der Patriarch und auch seine Freunde, dass sein Leben in Gefahr war. Deshalb bemühte man sich ständig, das Oberhaupt der Kirche zu überzeugen, Konstantinopel zu verlassen. Die Antwort Gregorios lautete jedoch immer, dass sein Tod dem Kampf der Griechen besser dienen würde als sein Leben. Während einer Sitzung der Heiligen Synode des Patriarchats z.B., als der Metropolit Gregorios (Derkon) den Patriarchen umzustimmen versuchte, dass es doch besser wäre, wenn er nach der Pelepones reisen würde, um dort die Revolution selbst zu leiten, antwortete ihm der Patriarch: «Sowohl ich als das Oberhaupt der Nation als auch Sie als Mitglieder der Synode müssen für die Rettung der Nation sterben. Unser Tod wird der Christenheit das Recht geben, unsere Nation gegen den Tyrannen zu verteidigen. Wenn wir dagegen dorthin (auf die Pelepones) gehen werden, um die Revolution zu unterstützen, dann werden wir den Beschluss des Sultans rechtfertigen, die ganze Nation auszurotten.»

Diese Antwort des Patriarchen wie überhaupt seine Weigerung, durch die Flucht sein Leben zu retten, ist insofern von Bedeutung, da sie sehr deutlich den symbolischen Wert zeigt, den der Tod des Patriarchen haben würde und dessen sich Gregorios wohl bewusst war. Er war fest davon überzeugt, dass sein Martyrium dem Kampf der Griechen besser dienen würde, als die Übernahme der Führung durch ihn. Ferner verdeutlichen die Worte von Gregorios, dass die Patriarchen sich ihrer Aufgabe als Oberhaupt der Nation bewusst waren, dass Gregorios durch sein Selbstopfer die Aufmerksamkeit aller christlichen Nationen auf die griechische Revolution zu lenken hoffte und schließlich durch sein Martyrium eine allgemeine Verfolgung der Christen in Griechenland zu verhindern beabsichtigte.

Nachdem der Patriarch, von acht Bischöfen assistiert, in der Osternacht 1821 die Ostermesse zelebriert hatte, wurde er am 10 April (Ostertag) um 10 Uhr morgens verhaftet. Er wurde zunächst ins Gefängnis geworfen, und nach wiederholten Folterungen wurde der 76 jährige (5) um 3 Uhr nachmittags gehängt. Die Hoffnung des Patriarchen jedoch, durch sein Opfer der Nation am besten zu dienen, erfüllte sich sofort nach seinem Tode. Im Jahr 1821 wurde aus dem gehängten Patriarchen ein Symbol, das nicht nur die Freiheitskämpfer des Unabhängigkeitskrieges begeisterte und ermutigte, sondern die nationale Tradition der Griechen auch späterhin festigte. Volkslieder und Legenden umwoben Leben und Tod des Gregorios und machten aus ihm eine legendäre Gestalt, in der sich die Züge des Heiligen, Märtyrers und des nationalen Helden mischen. Im Jahre 1871 wurden die sterblichen Überreste des Patriarchen nach Athen überführt, um dort in der Kathedrale beigesetzt zu werden. Seit 1872 befindet sich vor dem Hauptgebäude der Universität von Athen ein Denkmal des Gregorios, das oft als Ausgangspunkt für Demonstrationen nationalen Charakters dient. Am 8 April 1921 wurde Gregorios V schließlich heiliggesprochen, und sein Andenken wird jedes Jahr am 10 April gefeiert.

Der Unabhängigkeitskrieg forderte nicht nur das Leben des Patriarchen Gregorios V; zahllose Geistliche wurden weiterhin getötet, und zwar unmittelbar nach dem Martyrium des Patriarchen. Am 3. Mai 1821 wurde der 100jährige Bischof von Myriopolis ermordet, und am 4. Mai erfolgte die Tötung der Bischöfe von Adrianoupolis, Dorotheos Proios von Derkon, Gregorios, und von Thessaloniki, Joseph. Ebenso wurde um dieselbe Zeit der Erzdiakon des Patriarchen Gregorios V. Nikephoros erhängt. Es wäre unmöglich hier alle Vertreter des Klerus zu erwähnen, die zu den Scharen der neuen Märtyrer gehören, denn viele von ihnen sind nicht einmal mit Namen bekannt. Wir sollten hier aber noch einmal an die Archimandriten Dikaios Papaflessas und Athanasios Diakos denken, die, wie wir sahen, als aktive Köpfe starben und deren legendäre Gestalten den griechischen Priesterstand zum nationalen Symbol erhoben.


II

Nicht nur während des Unabhängigkeitskrieges, sondern auch während der Kämpfe, die Griechenland als freies Land durchstehen musste, gab es zahlreiche Geistliche, die die Tradition des Selbstopfers für Glauben und Nation fortsetzten. So ist z.B. eines der größten Abenteuer der griechischen Nation, die «Katastrophe von Smyrna» (1922), eng mit dem Namen eines Bischofs verbunden, nämlich dem Märtyrer Chrysostomos (6),Metropolit von Smyrna.

Chrysostomos (Kalaphatis) wurde 1867 in Kleinasien (Bithynien) geboren und 1902 zunächst zum Metropoliten von Drama (Mazedonien) gewählt. Er gehörte zu den wenigen griechischen Geistlichen, von denen man sagen kann, dass sie eine ausgezeichnete Ausbildung erwarben, und seinen Fähigkeiten entsprechend entwickelte er eine vielseitige Tätigkeit als Theologe, als Seelsorger und ganz besonders als Vertreter der nationalen Interessen, wobei er sich besonders der Gründung von Schulen und der sozialen Fürsorge widmete. Seine nationale Tätigkeit und der große Einfluss, den er auf die Griechen ausübte, verarüasste die Türken, den Patriarchen von Konstantinopel unter Druck zu setzen, um Chrysostomos von Drama zu entfernen, was im Jahre 1907 auch geschah. Ein Jahr später finden wir ihn wiederum in Drama. Kurz danach zwangen ihn aber die Türken und Bulgaren, seine Metropole endgültig zu verlassen.

Überall bereits unter dem Beinamen «Historikos Hierarches» =geschichtlicher Prälat) bekannt, kam er im Mai 1910 nach Smyrna, um seine neuen Pflichten als der dortige Metropolit zu übernehmen. Er entwickelte eine ähnliche Tätigkeit wie in Drama, und es dauerte nicht lange, bis er den Türken erneut unangenehm wurde. Die Türken zeigten ihre Abneigung, indem sie die Behörden in Konstantinopel veranlassten, den Metropoliten von Smyrna aus der Liste der Kandidaten, die als Nachfolger des verstorbenen Patriarchen Joachim III. in Frage kämen (1913), zu streichen.

Chrysostomos ließ sich in seiner Tätigkeit aber nicht hindern. Er ignorierte die Feindschaft und die Intrigen der Türken und betätigte sich noch aktiver als Vertreter nicht nur seiner Kirche, sondern auch des Griechentums. Er sorgte z.B. für die ersten 40.000 griechischen Flüchtlinge, die nach Smyrna kamen, um der Verfolgung durch die jungtürkische Bewegung zu entgehen, und sprach zugleich öffentlich von den Grausamkeiten der Türken. Letzteres veranlasste den Gouverneur von Smyrna, den Metropoliten nach Konstantinopel zwangs- zuverschicken. Dort verfasste er zwei Arbeiten in französischer Sprache, die die Verfolgungen der Griechen in Kleinasien schildern.

Gleich am Ende des ersten Weltkrieges kehrte er nach Smyrna zurück, wo er am 2. Mai 1919 die griechischen Truppen empfing, die Smyrna eroberten, und er segnete kniend die griechische Flagge. Drei Jahre später, am 25. August 1922, verließ der griechische Feldmarschall Smyrna, als die türkischen Truppen sich der Stadt näherten. Der römisch-katholische Erzbischof von Smyrna hatte für seinen orthodoxen Amtsbruder einen Platz auf einem europäischen Dampfer besorgt, und er versuchte Chrysostomos zu überzeugen, die gefährdete Stadt zu verlassen. Dieser antwortete, dass «der gute Hirt in der Nähe seiner Herde bleiben muss». Am 27. August wurde der Metropolit verhaftet und dem türkischen Mob übergeben, der ihn nach mehreren Folterungen buchstäblich zerstückelte. Damit erneuerte Chrysostomos durch sein Martyrium die Legende des griechischen Märtyrerpriesters, der seinem Glauben und seiner Nation treu bleibt bis in den Tod. Noch am Tage der Ermordung des Metropoliten von Smyrna wurden drei weitere Bischöfe von Türken getötet, und zwar die Metropoliten Gregorios Horologas, Ambrosios (Moschonesion) und Prokopios Lazarides. Mehrere andere Vertreter des Priesterstandes gehörten zu den Opfern der «Katastrophe von Kleinasien» (7).

Der Sturm des zweiten Weltkrieges, der auch Griechenland erfasste, gab der Legende des Helden- und Märtyrerpriesters neue Nahrung, denn zwischen 1941 und 1949 wurden über vierhundert Priester getötet — entweder während des Krieges oder während der deutschen Besatzung oder von den Kommunisten während des Bürgerkrieges, der der Befreiung Griechenlands folgte (8). Noch einmal bot sich dem griechischen Klerus die Gelegenheit, als Nationalsymbol vor den Augen des griechischen Volkes zu erscheinen. Noch einmal, als während der deutle hen Besatzung der freie Staat und sein Apparat aufhörten zu existieren, sprang die Kirche in diese Lücke. Dieses Mal aber entstammten alle Opfer des Klerus ausschließlich dem Priesterstand. Kein Bischof wird in der langen Liste dieser Märtyrer in der Periode zwischen 1941 und 1949 erwähnt. Es waren diesmal nicht große Gestalten vom Range eines Gregorios V. oder eines Chrysostomos, die aus dem Klerus den Tod eines Märtyrers erlitten. Die Opfer waren vielmehr einfache Papades (= Priester), ja sogar zumeist Dorfpriester. Dadurch aber, dass sich der einfache, arme, aus den Reihen des Volkes stammende Papas zum Märtyrer erhob, festigte er seine durch den sozialen Umbruch, der auch in Griechenland im Gange ist, gefährdete Stellung.

Am 29 Dezember 1949 ehrte die Akademie von Athen, die in ihren «Unsterblichen» die geistige Elite Griechenlands vertritt, die Märtyrerpriester der Periode 1941-1949 mit der goldenen Medaille als der höchsten Auszeichnung. Wie es in den Sitzungsberichten (1949) der Akademie heisst, opferten die Märtyrerpriester, von denen «manche erschossen wurden, manche gekreuzigt, manche zerstückelt wurden und andere bei lebendigem Leibe begraben wurden» (9), ihr Leben als echte Christen und Griechen, als sie das Martyrium für den Glauben und das Vaterland erlitten. Beachtenswert ist, dass in den Sitzungsberichten der Akademie der Held und Märtyrer Athanasios Diakos besonders erwähnt wird, dessen «unüberwindlichem Beispiel die zwischen 1941 und 1949 getöteten Priester folgten» (10).

Die Zahlen der getöteten Priester, die die Akademie nennt — sie erwähnt 223 (11) — sowie die offizielle Mitteilung der Kirche, die von 349 Opfern spricht (12) sind falsch. Die Akademie stützte sich auf Mitteilungen der Kirche Griechenlands. An dieser Stelle erweist sich erneut die Unzuverlässigkeit der wenigen Statistiken, die die Kirche offiziell herausgibt und auch der große Mangel an Statistiken überhaupt, der eine sachliche und objektive Erforschung der heutigen Situation der Kirche Griechenlands so erschwert. Es war die Zeitschrift «Enoria», die die genaue Zahl der getöteten Priester ermitteln konnte. Durch eine Liste (13), die die Namen aller Opfer enthält, erfahren wir, dass zwischen 1941 und 1949 vierhunderteinundsiebzig Priester ermordet wurden. Davon wurden von den Deutschen 105, 22 von den Italienern, 53 von den Bulgaren und 26 von den Albanern umgebracht, während die übrigen 265 auf das Konto der Kommunisten gehen (14). Letzteres ist nicht ohne tiefere Bedeutung, denn die Kommunisten erkannten in der Gestalt des griechischen Papas ein nationales Symbol, dessen Einfluss besonders in den schwierigen Zeiten der griechischen Nation sehr stark fühlbar wurde. Im Gegensatz zur russischen Revolution, die den Klerus als antisoziale Macht und Feind des Volkes bekämpfte, traten die Kommunisten Griechenlands gegen die Priester auf, weil diese durch ihre Abstammung aus den armen Schichten des Volkes und durch ihre Opfer für die nationalen Ideale mit dem griechischen Volk und seinem Schicksal eng verbunden waren.


III

Wenn man daran denkt, dass der Bischofs- bzw. Priesterstand als Träger des Martyriums für die Sache des Glaubens und der Freiheit keine Einzelerscheinung ist, der man nur im Rahmen der Ostkirche begegnet, sondern dass es im ganzen Christentum wie auch in den anderen Religionen — man denke z.B. an die Ereignisse in Südvietnam — zahlreiche Beispiele von Geistlichen gibt, die sich opferten und noch opfern, so wird man mit Recht fragen, worin eigentlich der Unterschied zwischen der Ostkirche und den übrigen Kirchen und Religionen liegt und warum das Martyrium der Geistlichen der Ostkirche so stark in ihre Geschichte hineinwirkt.

Zunächst wird diese Frage durch die engen Beziehungen, die zwischen Staat und Kirche, Glaube und Nation, oder, im Fall Griechenlands, zwischen Christentum und Griechentum existieren, geklärt. Es tritt aber eine weitere, Tiefergehende Erklärung hinzu. Die orthodoxe Kirche, ihre Mönche und Geistlichen betrachten das Leiden und das Martyrium als eine soziale Leistung. Orthodoxe Theologen widersprechen oft dem Vorwurf, dass ihre Kirche sich nicht zu einem dynamischen sozialen Faktor entwickeln konnte. Sie argumentieren u.a. damit, dass die Vertreter der Kirche in Momenten des aktiven Widerstandes gegen Sklaverei, Tyrannei, Barbarei oder Atheismus in der vordersten Reihe standen und ihr eigenes Leben hingaben, um ihren Glauben und ihre Nation vor dem Untergang zu bewahren.

Es war 1920 auf der Genfer Vorbesprechung der Konferenz für Glauben und Kirchenverfassung, als der Erzbischof von Kiew sagte: «Ihr westlichen Christen versteht zu leben, wir östlichen Christen verstehen zu sterben» (15). Diese wenigen Worte eines orthodoxen Geistlichen umreißen eine Möglichkeit der orthodoxen Kirche hinsichtlich ihrer sozialen Sendung. Diese Möglichkeit besteht darin, dass das Leiden, das Martyrium und der Geist des Selbstopfers als Ausdruck ostkirchlicher Mystik eine Verbindung von Mystik und Praxis darstellen, die auch das soziale Bild Griechenlands bestimmte. Denn es ist wahr, dass die gesamte neugriechische Kultur und Wirklichkeit überall die Merkmale orthodoxer Frömmigkeit trägt und dass dieses Phänomen zum großen Teil den zahlreichen alten und neuen Märtyrern zu verdanken ist. Was die Kirche Griechenlands durch das Leben nicht erreichen konnte, erreichte sie durch den Tod, d.h. durch Martyrium und Selbstopfer, denn sie zeigte dem Volk Griechenlands durch das eigene Beispiel und in der Praxis, dass der Glaube und die geistlichen und geistigen Werte stärker sind als alle anderen Mächte dieser Weil (16).





Note

1. Vgl. dazu — ausser Boboliriis, K., a.a.O. — Baianos, D., Die Opfer des Klerus für die nationale Sache bis zum Jahre 1821, in: Tagebuch des Grossen Griechenlands, Athen 1922, S. 153-263, ders.: Die Opfer des Klerus für die Nation während der Revolution von 1821, a.a.O., Athen 1928, S. 185-194, und Papadopoulos, Chr., Die neuen Märtyrer, Athen 1934, Siehe dazu noch das schon erwähnte Buch von M e l äs, S p., Blutige Soutanen, Athen, O. J. (3. Auflage), (alles griech.).

2. Vgl. Bobolinis, K. a.a.O., S. 33-54.

3. Vgl. dazu Pilabios, G., N., Über den Patriarchen Gregor V., Athen 1871, Papadopoulos, P. G., Über den Patriarchen Gregor V., Athen 1866. Kandeloros, T., Geschichte des nationalen Märtyrers Gregor V., Athen 1906, und Balanos, D., Über das Martyrium des Patriarchen Gregor V. und die Ermordung der Bischöfe, in: Ethnike Zoe, Athen 1921, S. 5ff. Ebenso siehe die Leichenrede, die der Priester Konstantinos Oikonomou am 19. Juni 1821 in Odessa hielt (Athen 1871); den Artikel des Erzbischofs von Athen Chrysostomos, in: Grosse Griechische Enzyklopädie, 8. Bd S. 722-725; Kokinos, D., a.a.O., 1. Bd, S. 391-396 und 399-405; Melas, S p., a.a.O., S. 133-193 und Bobolinis, K., a.a.O., S. 109-118, (alles griech.). Ferner vgl. die in russischer Sprache verfasste Arbeit von Preobagensky, A., Gregor V. Patriarch von Konstantinopel, Kazan 1906.

4. So Bobolinis, K., a.a.O., 111. Nach Erzbischof Chrysostomos (a.a.O., S. 722) wurde Gregor ca 1745 geboren.

5. So der Erzbischof Chrysostomos, a.a.O., S. 724. Nach Bobolinis, K., a.a.O., S. 114, war der Patriarch 70 Jahre alt, als er starb.

6. Vgl. dazu Loverdos, S p., Der Metropolit von Smyrna Chrysostomos, Athen, 1929, Politis, K., Der Bischof von Smyrna Chrysostomos, Athen 1934, Philippidis, L., Der Metropolit von Smyrna Chrysostomos, Athen 1962, und Bobolinis, K., a.a.O., S. 252-260 (alles griech.).

7. Vgl. Bobolinis, K. a.a.O., S. 260ff.

8. Vgl. dazu Dionysios, Bischof von Lemnos: Gläubige bis zum :Tode, Athen 1959, ders: Märtyrer-Verfolgungen 1942-1945. Athen 1951, Bobolinis; K., a.a.O., S. 265-423, und das Sonderheft der Zeitschrift: Enoria (Nr. 231/10, März 1958). Ferner siehe: Enoria, l, 1949, S. 85 und 4. 1949, S. 7, und 83f (alles-griech.).

9. Vgl. Enoria, 13, 1958, S. 62.

10. a.a.O.

11. a.a.O., S. 63.

12. a.a.O., S. 64.

13. a.a.O., S. 65-79.

14. Nach Mitteilungen des nationalen Rundfunks - Athen (11. Juli 1947) wurden innerhalb von vier Monaten (März bis Juli 1947} ca. 20 Priester von den Kommunisten umgebracht. (Vgl. Enoria, 2, 1947, S. 217). Siehe auch a.a.O., S. 234.

15. Vgl. Siegmund — Schulze, Fr., Bin. Wort der Dankbarkeit• an die Griechisch- Orthodoxe Kirche. Ihr Martyrium in jüngster Zeit, in: Die Eiche, 13, 1927, s. 8f.

16. Vgl. Savramis, D., Christlicher Glaube und soziale Wirklichkeit in Griechenland, in: Kyrios, 4, 1964, s. 142.

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