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Panagiotis Boumis

Die authentische Überlieferung der Kirche

Das Kriterium der Orthodoxie


5. Einige notwendige Årgänzungen

Dies bedeutet nun aber nicht, daß dort keine Freiheit bestünde, wo es kirchliche Gesetze, heilige Regeln, biblische Gebote gibt. Diese Gebote und Kanones sind, wie wir bemerkten, unfehlbare Zeugnisse Gottes. Folglich sind sie ein Teil der Wahrheit, sind Wahrheit. Und da sie wahr sind, tragen sie unzweifelhaft zur Freiheit des Menschen bei. Das bestätigt uns auch der Herr, wenn er sagt: »So werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen« (Joh 8,32). (Vgl. auch den Ausspruch des Apostels Jakobus vom »vollkommenen Gesetz der Freiheit« [Jak 1,25]).

Tatsächlich trennen wir uns durch die Anwendung der kirchlichen Gebote innerhalb der Kirche und mit Hilfe der Kirche vom Irrtum und werden zur Wahrheit, zur Vollkommenheit, zur Heiligkeit, zur Vergottung hingeführt: Je vollkommener und heiliger der Mensch wird, je mehr er das Fleisch und die menschlichen Gelüste überwindet, um so mehr übersteigt er die materielle Íatur und die Gesetze der Natur. Je vergeistigter er wird, um so einfacher und leichter kann er sich gegenüber der Materie durchsetzen, und um so mehr erlangt er folglich die Freiheit. Darum sagt der Apostel Paulus: »Der Herr ist der Geist; und wï der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit" (2 Kor 3,17).

Bevor wir jedoch das Thema abschließen, sollten wir mit Rücksicht auf das bisher Gesagte vielleicht einige notwendige Unterscheidungen vornehmen und gleichzeitig auch die angemessenen Vorschläge machen. Wie oft sagen wir, dieser Mensch sei konservativ, jener traditionsverhaftet, der andere vielleicht fortschrittlich und der vierte freiheitlich gesinnt usw. Verwenden wir diese Begriffe eigentlich richtig oder herrscht da Verwirrung hinsichtlich ihrer Verwendung? Zum Beispiel nennen wir denjenigen konservativ, der die Tradition bewahrt. Aber ist es nicht besser, ihn als traditionsverbunden zu bezeichnen? Andererseits bezeichnen wir oft traditionsverbunden, die alle Überlieferungen der Kirche bewahren möchten, die authentische, d.h. kirchliche Überlieferung, wie die verschiedenen anderen, nicht offiziell anerkannten Überlieferungen. Aber ist es richtig, diese traditionsverbunden zu nennen, oder sollten wir sie nicht einfach<6> als konservativ bezeichnen?

Wiederum heißen wir denjenigen freiheitsliebend, der die Tradition nicht bewahren will oder auch jenen, der nur einige Überlieferungen annehmen, die übrigen aber verwerfen will. Sollten wir nicht eher den Traditionsverbundenen als freiheitsliebend bezeichnen (siehe wörtliche Bedeutung des griechischen φιλελεύθερος = Freund der Freiheit), also jenen, der die wahre (authentische) Überlieferung, die Wahrheit also, die frei macht, die ihm die wahre Freiheit schenkt, mit offenen Armen annimmt und sich ihr unterwirft? Wir meinen jedenfalls, daß nicht diejenigen freiheitsliebend genannt werden können, die die authentische Überlieferung verwerfen, die vom rechten Weg, nämlich dem Weg der Wahrheit, abkommen und menschlichen Überlieferungen und Geboten folgen, die nicht zur Erlangung der tatsächlichen Wahrheit führen und demnach nicht helfen, die wirkliche Freiheit zu erringen.

Aus dem gleichen Grund können die Traditionsverbundenen auch als fortschrittlich charakterisiert werden. Denn, weil sie die Verquickung mit menschlichem Beiwerk ablehnen und immer auf dem Grund der authentischen Überlieferung stehen, können sie aus der neueren wissenschaftlichen Forschung das übernehmen, was der besseren Deutung und einem umfassenderen Verständnis dieser Wahrheit dient.

Umgekehrt können nicht jene als fortschrittlich bezeichnet werden, die zusammen mit den menschlichen Traditionen auch die authentische Überlieferung der Kirche verwerfen und das Richtige ohne Führung, ohne objektive Kriterien, ohne unfehlbare Grundsätze suchen wollen. Es ist sehr zu bezweifeln, daß diese vorwärts schreiten, folglich auch, daß sie den Namen »fortschrittlich« verdienen.

Auf solche Weise können wir überlegen, beurteilen und entscheiden, in welcher Weise wir jeweils einen der oben erwähnten oder ähnliche Begriffe verwenden.

Sofern wir als Orthodoxe dem obigen Standpunkt zustimmen und ihn annehmen, können wir damit auch unsere Beziehungen zur Welt außerhalb der Orthodoxie überprüfen, ja darüber hinaus, auch die Lehren verschiedener anderer kirchlicher und nichtkirchlicher Bekenntnisse.

Im Falle der römisch-katholischen Kirche z.B. die Lehre, daß der Çl. Geist auch vom Sohn ausgeht (filioque). Dieses Dogma steht im Widerspruch zur Heiligen Schrift, die eindeutig vom »Geist der Wahrheit« spricht, der »vom Vater ausgeht« (Joh 15,26), und zu Entscheidungen der Ökumenischen Synoden. Folglich muß man verstehen, daß diese dogmatische Lehre von der Orthodoxen Kirche nicht angenommen werden kann.

Die Katholiken akzeptieren auch, wie wir wissen, zumindest theoretisch, die Unfehlbarkeit des Bischofs von Rom, des Papstes, die Unfehlbarkeit also

eines Menschen. Da sich dieses Dogma nicht auf die Entscheidungen einer Ökumenischen Synode stützt, also nicht auf die authentische Überlieferung der Kirche, und da es auch unmöglicl ist, daß ein Mensch unfehlbar ist - wie wir zu Beginn der vorliegenden Studie festgestellt haben -, kann auch dieses Dogma von einem orthodoxen Christen nicht toleriert werden.

Neben der römisch-katholischen Kirche gibt es die verschiedenen protestantischen Bekenntnisse, die die Meinungen, Ansichten oder Anweisungen ihrer heutigen Theologen als authentisch annehmen, aber gleichzeitig,die kirchliche Überlieferung ablehnen. So stellt sich die naheliegende Frage: Welches unfehlbare Kriterium haben sie für die Annahme der einen und die Ablehnung der anderen? Verstricken sie sich damit nicht in einen grenzenlosen Subjektivismus? Und gibt es vielleicht gerade aus diesem Grund so viele Formen des Protestantismus? Wo und in welcher befindet sich das objektiv Richtige? Welche besitzt die Wahrheit?

Einem logischen Fehler erliegen auch diese protestantischen Gruppen, die sich auf die Heilige Schrift stützen (wie sie behaupten), um ihre Lehren zu bestätigen, während sie die kirchliche Überlieferung ablehnen. Hat uns aber nicht die Kirche die Çl. Schrift bewahrt und übergeben? War es nicht die Kirche, die die Bücher der Çl. Schrift ausgewählt und sie aus der Menge anderer verfälschter, nicht kanonischer Bücher ausgesondert und herausgehoben und uns als göttlich und authentisch übergeben hat? Çat nicht sie den »Êanon« der Çl. Schrift erstellt? Folglich erscheint es paradox und unlogisch, diese Bücher der Çl. Schrift anzunehmen, die kirchliche Überlieferung aber nicht, durch die uns doch die Çl. Schrift übermittelt wurde. Wir nehmen die Früchte, aber nicht den Baum an, der uns diese Früchte schenkt!




NOTES

1.- Verfasser ist Professor an der Theologischen Fakultät der Universität. Ziel seines Beitrags ist es, das orthodoxe Verständnis der kirchlichen Paradosis zu vermitteln und einige Konsequenzen daraus für den ökumenischen Dialog aufzuzeigen. Anm. der Red.

2.- »Jenseits der organischen Rangfolge und obersten Verwaltungsstelle der Orthodoxen Kirche, welche die Ökumenische Synode ist, hat das wahre kirchliche Gewissen die letzte Entscheidungsgewalt über deren ökumenische Autorität, ohne über dem Rang der Ökumenischen Synode zu stehen« (Á. Alivisatos, Das Gewissen der Kirche, in: Wiss.Jahrbuch der Theol.Fak. der Univ. von Athen, 9 [1953-1954] 58-59). «Der ökumenische Charakter der Synode besteht nicht in der Teilnahme aller Bischöfe der christlichen Gemeinschaft, sondern in der Übereinstimmung der anwesenden, der vertretenen mit den abwesenden Bischöfen und den verschiedenen Gliedern der Kirche, wie auch in der nachträglichen Annahme ihrer Lehren von den übrigen Bischöfen und der ganzen Kirche, die als wahr befunden wurden" (Joh. Karmiris, Orthodoxe Ekklesiologie, Dogmatik, Teil V, Athen 1973, S.674).

3.- Siehe Êan.1 der 4., Êan.2 der 6., und Êan.1 der 7.Ökum.Synode. Mehr dazu: P.Boumis, Autorität und Kraft der hl.Kanones, Athen 1989<4>, S.12 f.

4.- Das griechische Wïrt für Regel »κανών" bedeutet ursprünglich: Stab; Lineal, mit dem wir eine gerade Linie ziehen, oder umgekehrt die Geradheit einer Linie überprüfen. Im übertragenen Sinn bezeichnet das Wort auch Bestimmung oder Gesetz, allgemein alles, was als Vorbild oder Leitfaden zur richtigen Ausführung einer Handlung dient, oder als Kriterium zur Kontrolle ihrer Richtigkeit.

5.- Vgl.Ps. 118, 14. 138. 144. Siehe auch Êan.1 der 7.Ökum.Synode.

6.- Natürlich hat das Wort »einfach« hier nicht die Bedeutung einer Mißbilligung des Konservativen. Konservativ sind, wie wir gesehen haben, jene, die alle in der Kirche vorhandenen. Überlieferungen bewahren wollen. Aber diese Tendenz muß mit Vorsicht betrachtet werden, weil sie zwei widersprüchliche Elemente in sich birgt: ein positives und ein gefährliches. Positiv ist, daß sie alle schriftlichen und mündlichen Überlieferungen bewahren will, in denen zum gegebenen Zeitpunkt die Kirche die Lösung eines Problems finden kann, oder zumindest den Ánstïß zu einer solchen Lösung. Sie schließt aber auch die Gefahr in sich, den Menschen zu überfordern; denn sie will das ganze Gewicht dieser Überlieferungen tragen. So geschieht es manchmal, daß diese Überlieferungen in Widerspruch zueinander geraten, daß sie Christen erschüttern und Ánstïß erregen. Verlassen wir also den Anspruch, daß diese Überlieferungen unbedingt und ausnahmslos von allen Christen befolgt werden müssen; denn damit würden »schwere und untragbare Gewichte auf die Schultern der Menschen« (vgl. Mt 23, 4) gelegt.

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